Da kommt kein Kerl drin vor

Karl-Heinz Köppner

INTERNATIONALER FRAUENTAG Andrea C. Ortolano erzählt im Marstall von der Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat

HEPPENHEIM - Eine Märchenerzählerin zum Frauentag – das passt, wenn Andrea C. Ortolano auf der Bühne steht. Ihr Soloprogramm „Als das Wünschen noch geholfen hat“ bescherte den Zuhörerinnen und Mitspielerinnen im Marstall einen vergnüglichen Abend.

Zänkische Haustyranninnen, böse Stiefmütter, grausame Hexen: Weibliche Wesen, vor allem, wenn sie ihre Jugend schon hinter sich haben, kommen im Märchen meist nicht besonders gut weg, weiß Andrea C. Ortolano. Anlass genug, der Überlieferung auf den Grund zu gehen, und der Internationale Frauentag bot am Dienstag im Marstall den passenden Rahmen, sich dem Volksgut einmal aus einer anderen Perspektive zu nähern. Diözesanvorsitzende Hiltrud Lennert und Kerstin Vogl, die stellvertretende Vorsitzende des Zweigvereins Heppenheim im Katholischen Frauenbund, hatten die Schauspielerin und Erzählerin aus Kassel bei einer Stadtführung erlebt und sie gemeinsam mit der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Anja Ostrowski eingeladen. Eine gute Idee: Die Veranstaltung war ausgebucht, und das – rein weibliche – Publikum von Anfang an bestens gelaunt.

Andrea Ortolano nahm ihre Zuhörerinnen mit auf eine Zeitreise unter dem Motto „Als das Wünschen noch geholfen hat“, testete nicht nur die Märchenfestigkeit im Auditorium, sondern lud alsbald zum Gemeinschaftserlebnis ein. Mitmachen war angesagt, niemand ließ sich lange bitten, und schon füllte sich die Bühne im Marstall mit Statistinnen, als „Frau Holle“, für Ortolano „das Frauenmärchen schlechthin, da kommt kein Kerl drin vor“, zur Heppenheimer Uraufführung gelangte. Blumen wiegten sich im Wind, Apfelbäumchen und Brotbackofen beherrschten ihre Texte, der Hahn krähte auf dem Dach, und Goldmarie wie Pechmarie bekamen den gebührenden Lohn.

Einmal eingespielt, steigerte das Publikum beim „Fischer und seiner Frau“ den dramatischen Einsatz zur Höchstform. Wie der Märchenkenner weiß, hilft hier das Wünschen nur kurze Zeit, die unersättliche Gier der Fischersfrau, die mit den Würden als König, Kaiser und Papst noch lange nicht zufrieden ist, erzürnt nicht nur den Butt, sondern auch die Elemente. Ortolano lässt Bäume auf die Erde und die Vögel tot vom Himmel fallen, der Chor der Zuhörerinnen formiert sich zur Orkanstärke. Merke: Wünsche nicht töricht, sei klug, sonst bleibt dir am Ende gar nichts.

Wer braucht denn Schnee?

Das Gute wird belohnt, das Böse bestraft, wobei es in der Überlieferung bekanntlich nicht zimperlich zugeht. Die Erzählerin aus Kassel, Heimat der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, die 1812 dort den ersten Band ihrer „Kinder- und Hausmärchen“ veröffentlichten, macht das ganz deutlich, bürstet auch die eine oder andere Passage ein wenig gegen den Strich, macht aus der Pechmarie einen rotzigen, aufsässigen Teenager mit durchaus modernem Vokabular und reagiert schlagfertig auf Kommentare aus dem Publikum. „Da war in diesem Jahr wohl die Pechmarie bei Frau Holle zum Bettenschütteln“, hieß es aus den Reihen der Zuhörerinnen, und Andrea Ortolano („Wer braucht denn Schnee?“) konterte im Nu: „Ja, hier: Aber wer sagt denn, dass Frau Holle in Heppenheim wohnt?“ Die Schauspielerin hat nicht nur Bühnenpräsenz, sie hat auch viel Erfahrung, schreibt Texte fürs Schultheater, führt Regie und ihr Repertoire als Solistin reicht von Goethe und Schiller bis zu Agatha Christie’s Miss Marple. „Grimmiges“ und „Krimiges“ à la Ortolano, und fürs Publikum in Heppenheim – auch Gäste aus den Frauenbund-Zweigvereinen aus Fürth und Viernheim waren gekommen – erwies sich die Vorstellung am Dienstag als unterhaltsamer, vergnüglicher Abend, der mit viel Beifall bedacht wurde.

Zu einer Straßenaktion anlässlich des internationalen Aktionstags zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern („Equal Pay Day“) am Samstag (19.) laden Katholischer Frauenbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) und die Gleichstellungsbeauftragte in die Fußgängerzone ein. Von 10 bis 13 Uhr gibt es in der Friedrichstraße neben Statements von Politikerinnen und Sprecherinnen der Frauenverbände die bekannten roten Taschen, Informationen und die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Von Sigrid Jahn